Steppenwolf - Nur für Verrückte!

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Standort: Zürich, Switzerland

23.5.06

Gedichte (gemisch) Teil 3

Der abgerissene Strick - Bertolt Brecht
Der abgerissene Strik kann wieder geknotet werden
Er hält wieder, aber
Er ist zerrissen.

Vielleicht begegnen wir uns wieder, aber da
Wo du mich verlassen hast
Triffst du mich nicht wieder.
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Ursi (15)
Die Wolken sind frei,
ich nicht.
Die Wolken sind glückklich,
ich nicht.
Sie können gehen, wohin sie wollen,
ich nicht.
Sie sind sorglos,
ich nicht.
Warum kann ich keine Wolke sein?
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Mit leichtem Gepäck - Hilde Domin
Gewöhn dich nicht.
Du darfst dich nicht gewöhnen.
Eine Rose ist eine Rose.
Aber ein Heim
ist kein Heim.

Sag dem Schosshund Gegenstand ab
der dich anwedelt
aus den Schaufenstern.
Er irrt. Du
riechst nicht nach Bleiben.

Ein Löffel ist besser als zwei.
Häng ihn dir um den Hals,
du darfst einen haben,
denn mit der Hand,
schöpft sich das Heisse schwer.

Es liefe der Zucker dir durch die Finger,
wie der Trost,
wie der WUnsch,
an dem Tag
da er dein wird.

Du darfst einen Löffel haben,
eine Rose,
vielleicht ein Herz
und, vielleicht,
ein Grab.

Gedichte (gemischt) Teil 2

Minderheit - Eveline Hasler
Schützt die Minderheit der Lebendigen
die Toten nehmen täglich
zu

Auf der Strasse zu lesen:
Die Todesanzeigen
in den Blicken
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Warum? - Georg Kreisler
Warum sind die Leute so feige?
Dafür gibt's doch gar keinen Grund.
Ach, es sterben die blühenden Zweige,
und das Leben geht immer zur Neige,
doch sie halten verbissen den Mund.

Warum sind die Leute so träge
und befreien sich nicht aus der Not?
Ach, sie schlucken den Schlamm und die Schläge,
und der Sargtischler kommt mit der Säge,
doch sie schweigen sich durch bis zum Tod.

Warum sind die Leute so fügsam
und fürchten den leisesten Wind,
so wie Gerten, geschmeidig und biegsam,
und im Leben und Tode genügsam?
Sei nicht wie die Leute, mein Kind!
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Umsonst - Theodor Fontane
Immer rascher fliegt der Funke,
Jede Dschunke und Spelunke
Wird auf Wissenschaft bereist,
Jede Sonne wird gewogen,
Und in Rechnung selbst gezogen,
Was noch sonnenjenseits kreist.

Immer höh're Wissenstempel,
Immer richt'ger die Exempel,
Wie Natur es draussen treibt,
Immer klüger und gescheiter,
Und wir kommen doch nicht weiter,
Und das Lebensrätsel bleibt.

Heinrich Heine Gedichte Teil 2

Das Glück
Das Glück ist eine leichte Dirne
und weilt nicht gern am selben Ort;
sie streicht das Haar dir von der Stirne
und küsst dich rasch und flattert fort.

Frau Unglück hat im Gegenteile
dich liebefest ans Herz gedrückt;
sie sagt, sie habe keine Eile,
setzt sich zu dir ans Bett und strickt.
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Warnung
Solche Bücher lässt du drucken!
Teurer Freund, du bist verloren!
Willst du Geld und Ehre haben,
Musst du dich gehörig ducken.

Nimmer hätt ich dir geraten,
So zu sprechen vor dem Volke,
So zu sprechen von den Pfaffen
Und von hohen Potentaten!

Teurer Freund, du bist verloren!
Fürsten haben lange Arme,
Pfaffen haben lange Zungen,
Und das Volk hat lange Ohren.

Gedichte Erich Fried

Kleine Frage
Glaubst du
du bist noch
zu klein
um grosse
Fragen zu stellen?

Dann kriegen
die Grossen
dich klein
noch bevor du
gross genug bist
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Aufhebung
Sein Unglück
ausatmen können

tief ausatmen
so dass man wieder
einatmen kann

Und vielleicht auch sein Unglück
sagen können
in Worten
in wirklichen Worten
die zusammenhängen
und SInn haben
und die man selbst noch
verstehen kann
un ddie vielleicht sogar
irgendwer sonst versteht
oder verstehen könnte

und weinen können

Das wäre schon
fast wieder
Glück
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Gründe
"Weil das alles nicht hilft
Sie tun ja doch was sie wolen

Weil ich mir nicht nochmals
die Finger verbrennen will

Weil man nur lachen wird:
Auf dich haben sie gewartet

Und warum immer ich?
Keiner wird es mir danken

Weil da niemand mehr durchsieht
sondern höchstens noch mehr kaputtgeht

Weil jedes Schlechte
vielleicht auch sein Gutes hat

Weil es Sache des Standpunktes ist
und überhaupt wem soll man glauben?

Weil auch bei den andren nur
mit Wasser gekocht wird

Weil ich das lieber
Berufeneren überlasse

Weil man nie weiss
wie einem das schaden kann

Weil sich die Mühe nicht lohnt
weil sie alle das garnicht wert sind"

Das sind Todesursachen
zu schreiben auf unsere Gräber

die nicht mehr gegraben werden
wenn das die Ursachen sind
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Humorlos
Die Jungen
werfen
zum Spass
mit Steinen
nach Fröschen

Die Frösche
sterben
im Ernst
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Was es ist
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

14.5.06

Gedichte (gemischt)

Im Nebel, Hermann Hesse:

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
kein Baum sieht den andren,
jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
als noch mein Leben licht war;
nun, da der Nebel fällt,
ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
der nicht das Dunkel kennt,
das unentrinnbar und leise
von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andren,
jeder ist allein.
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Der Aussenseiter, Dirk:

Er ist anders als die Andren,
die anders sind, als sie sind,
um nicht anders zu sein als die Anderen.
Aber er ist nicht anders, als er ist,
er ist sich selbst.
Die Anderen sind nicht sich selbst.
Er ist allein.
Sind es die Anderen nicht?
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Ein Mensch, Eugen Roth:

Ein Mensch erhofft sich fromm und still,
dass er einst kriegt, was er will;
bis er dann doch dem Wahn erliegt
und schliesslich das will, was er kriegt.
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Ich habe dich so lieb, Joachim Ringelnatz:

Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.

Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.

Vorbei -verjährt-
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
ist leise.

Die ZEit entstellt
Alle Lebewesen
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.
Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb.
Ich habe dich so lieb.

Heinrich Heine Gedichte Teil 1

Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Die hat einen andern erwhlt;
Der andre liebt eine andre,
Und hat sich mit dieser vermählt.

Das Mädchen heiratet aus Ärger
Den erst besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der Jüngling ist übel dran.

Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.
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Das Fäulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.

Mein Fäulein! sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.
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Leise zieht durch mein Gemüt
Liebliches Geläute.
Klinge, kleines Fühlingslied,
Kling hinaus ins Weite.

KLing hinaus, bis an das Haus,
Wo die Blumen spriessen.
Wenn du eine Rose schaust,
sag, ich lass sie grüssen.
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Sie sassen und tranken am Teetisch
Und sprachen von Liebe viel.
Die herren, die waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.

"Die Liebe muss sein platonisch",
Der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: "Ach!"

Der Domherr öffnet den Mund weit:
"Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit."
Das Fräulein lispelt: "Wieso?"

Die Gräfin spricht wehmütig:
"Die Liebe ist eine Passion!"
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herren Baron.

Am Tische war noch ein Plätzchen;
Mein Liebchen, da hast nur du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.
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Lore-Ley

Ich weiss nicht, was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fliesset der Reihn;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr goldenes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme,
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreifft es mit wildem Weh;
Er scahut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende SChiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Ley getan.